Viele Deutsche haben nicht nur „Reichweitenangst“ sondern auch „Ladeangst“. Finde ich eine Ladesäule, wie kann ich sie freischalten, was ist die richtige Ladesäule?
Man kann das Elektroauto über den On-Boad-Lader mit Wechselstrom (AC) laden. Dabei hat sich der Typ2 Stecker durchgesetzt. Man kann hier an einer heimischen Wallbox (ca. 700-1200 EUR plus Installation) laden.
Die meisten Ladesäulen haben einen Typ2 Stecker mit bis zu 22 KW Leistung auf 3 Phasen (3×7,4 kw). Der EQC lädt derzeit noch 2-phasig (2×3,7 kW) mit 7,4 kw. Später im Jahr kommt dann hier auch der 3-phasie OBC aus dem EQV zum Einsatz (3×3,7 kW). Der schnellste On-Board-Lader findet man aktuell in den smart eq Modellen die optional mit 3×7,4 KW = 22 KW laden. Serienmäßig ist der smart mit einem 1*7,4 kw Bordlader ausgerüstet und wird in Deutschland mit einem 20 Ampere Sicherung im Typ2 Stecker des Ladekabels auf 4,6 KW gedrosselt. Wer seinen smart mit einem 32A Typ2 Kabel lädt erhält bspw. im Ausland dann eine Ladeleistung beim serienmäßig OBC von 7,2 KW. In Deutschland ist, wenn man nur eine Phase benutzt, maximal 4,6 KW möglich. „Schieflastbegrenzung“ ist das Stichwort, wofür wird Deutschen von unseren europäischen Nachbarn belächelt werden ;-).
Alternativ kann man die Fahrzeuge auch über einen Schuko-Stecker laden. Hier werden von einigen Herstellern sogenannte ICCB (In-Cable-Control Box) optional mit ausgeliefert. Die maximale Ladeleistung liegt hier meistens bei 12 A * 230 Volt also 2,7 KW.
Der EQC und auch viele Plug-in-Hybrid Modelle von Mercedes lassen sich auch mit einem besonderen Kabel an CEE Steckdosen laden.
Wie lande ich unterwegs ?
Unterwegs lade ich wenn ich länger an einem Ort (Besuch am Strand, Stadtbesichtigung, Tagesausflug etc.) meistens an einer Ladesäule mittels Typ2 Stecker. D.h. hier verliere ich keine Zeit, da das Elektroauto sowieso geparkt ist. Bei aktuellen EQC mit 7,4 kW Lader müsste man somit rund 11 Stunden angeschlossen sein. Durch den neuen 11 KW-Lader (Ende 2020) wird sich dann die Ladezeit auf 7,5 Stunden reduzieren.
Mache ich jetzt eine längere Reise, die die Reichweite meines Elektroautos überschreitet, so muss ich bspw. an einer von vielen Autobahnraststätten eine Schnellladesäule (HPC) aufsuchen. Hier hat sich in Europa der CCS Stecker durchgesetzt. Sogar das amerikanische Tesla Model 3 wird in Europa nun mit diesem Stecker verkauft. Und auch die südkoreanischen Modelle von Hyundai und Kia setzen auf CCS. Der Unterschied bei CCS liegt darin, dass hier der On-Board-Lader im Auto nicht mehr benötigt wird. Es wird direkt Gleichstrom von der Ladesäule geliefert. Die üblichen 3-Tripple-Charger (1x Typ2, 1x Chademo, 1x CCS) liefern rund 50 KW Ladeleistung. Das ist für viele Modelle bspw. für den BMW i3 und den VW e-Golf ausreichend. Modelle wie der EQV oder EQC von Mercedes laden jedoch mit 110 kw. D.h. man sollte auch solche Ladesäulen anfahren die dies auch unterstützen. Dabei muss man bedenken, dass die Elektroautos nur bis 80% schnell laden, d.h. auf einer Reise ist es besser nur von 10-50% zu laden und dafür eine zweiten Stopp zu machen, als einmal von 10-100% zu laden. Das ist deutlich schneller. Dies zeigt bspw. auch die Ladekurve vom EQC. Mit zunehmendem Ladezustand wird die Ladegeschwindigkeit zum Schutz des Akkus verringert.
Eine Ladeleistung von 110 KW ist aktuell Mittelmaß. Die neuen Fahrzeuge von Mercedes (EQS, EQE sowie EQA und EQB sollen schneller laden können. Beim EQS und EQE soll sogar 800 Volt zum Einsatz kommen. Hier sind dann Ladeleistungen von rund 350 kw möglich. Dann dauert das Nachladen für 100 km nur noch 3-4 min.
Das bedeutet man fährt mit dem EQS in 7h rund 700 km, und benötigt dann rund 25 min um den Akkus wieder auf 80% aufzuladen, was dann für weitere 550 km gut wäre. In der Zeit wird der Akku mit bis zu 350 KW bzw. 476 PS geladen. Das sind enorme Belastungen. Dies ist nur mit speziellen CCS-Ladekabeln, die sehr dick sind möglich. Hierbei wird der Stecker und das Kabel in der Ummantelung mit Wasser gekühlt.
Ob AC oder DC: wie schalte ich die Ladesäule frei und was kostet es?
Aktuell ist es so, dass Stadtwerk, ionity, EnBW, Allego etc. Ladesäulen Typ2 und HPC-Schnelllader betreiben. Diese verkaufen den Strom teilweise direkt an den Endkunden, den Elektroautofahrer, oder an Roaming-Partner. D.h. der Strompreis an einer Ladesäule ist abhängig davon mit welcher Ladekarte / Ladeapp ich die Säule freigeschaltet habe. Meistens sind die Kosten an Typ2 Ladesäulen deutlich günstiger als an den Schnellladesäulen via CCS.
Bei Maingau Energie kostet der Strom in der App generell 35 Cent (nach 4h Stunden kommt dann noch ein Minutenpreis dazu, bei DC schon nach einer Stunde). Wenn man bereits mit dem Hausstrom bei Maingau Energie ist kostet es 25 Cent die kwh. Aktuell sind die Preis leicht niedriger aufgrund der 16% MwSt. Andere Anbieter wie get-Charge teilen die Ladesäulen in gute und böse Ladesäulen ein. D.h. man bekommt sie immer freigeschaltet, aber wenn get-Charge den Betreibern schlechte Konditionen ausgehandelt hat, merkt dies auch der Kunde.
Die Hersteller mischen hier natürlich auch mit. So bieten Mercedes (Mercedes me Charge), BMW (charge now), VW, Audi und Porsche für ihre Fahrzeuge einige Stromkonditionen an.
Derzeit gibt es noch ein wenig das Problem welche Ladeapp funktioniert an welcher Säule ? Welche App ist die günstigste für welche Säule. Tesla ist hier schon weiter. Es gibt einheitliche Stromtarife und man muss sich nicht authentifizieren. Das Zauberwort heißt hier Plug & Charge.
Einfach das Kabel einstecken und laden. Die Abrechnung erfolgt automatisiert über die im Fahrzeug hinterlegten Daten.
ionity (Joint Venture von Daimler, BMW, VW, Audi, Porsche, Hyundai, Kia und Ford) baut ebenfalls ein Schnellladenetzwerk in Europa auf. Hier wird man im 4. Quartal 2020 ebenfalls Plug-and-Charge anbieten. Derzeit unterstützt dies jedoch noch kein Fahrzeug. Der Porsche Taycan soll hier das erste Fahrzeug sein. Aktuelle Taycan Modelle unterstützten die Funktion noch nicht. Mercedes wird mit der EVA2 Plattform ab 2021 im EQS (und später EQE) ebenfalls diese Funktion anbieten.
Mercedes EQE und EQS im Technikvergleich
Mercedes kann aktuell Charge and Pay. D.h. im MBUX wird der Live-Status der Ladesäulen angezeigt (ob sie frei ist) und man kann dann das Fahrzeug anstöpseln. Anschließend wählt man im MBUX die richtige Ladesäule auch und bezahlt den Ladevorgang. Hier muss man gerade bei einem Ladepark mit mehreren Säulen, die korrekte Säulennumer freischalten.
Gibt es genügend Ladesäulen ?
In Deutschland gibt es mit 20.422 Ladestandorten mehr Ladeparks als Tankstellen (ca. 14.000). Diese 20.422 Standorten verfügen über 58.284 Ladepunkte.
Von den 58.284 Ladepunkten sind rund 1.800 Anschlüsse CSS mit mehr als 100 KW. Hier ist besonders seit 2019 eine hohe Dynamik eingetreten. Seit Mitte 2019 ist die Anzahl nämlich höher als die Tesla SuperCharger in Deutschland (derzeit knapp 700 in Deutschland). (Quelle going electric)
Für den aktuellen Elektroautobestand gibt es genügend Ladesäulen. Aber die Hersteller wollen in Zukunft deutlich mehr Elektroautos verkaufen. Die Betreiber der Ladesäulen bereiten sich darauf gerade vor und wollen ebenfalls kräftig investieren.
Ionity möchte langfristig 400 Ladeparks in Europa mit jeweils 6 Ladepunkten betreiben. Das wären insgesamt 2.400 Ladepunkte mit einer Ladeleistung von 350 kW. Derzeit liegt man bei 253 Ladeparks mit rund 1.000 Ladepunkten. Durch die Corona Krise sind die Bauvorhaben stark ausgebremst worden. Inzwischen werden aber wieder 20 Ladeparks pro Monat in Betrieb genommen. Das Ziel von 400 Ladeparks wird somit ca. Mitte 2021 erreicht. Die Kosten für die HPC Lader sind deutlich höher als bei einer 22 KW Ladesäule (3 bis 5 TEUR plus Installation). Bei einem HPC Ladepark mit 6 Säulen können Summen im Bereich von 500 TEUR aufgerufen werden. Dies liegt an der enormen Ladeleistung von bis zu 6*350 KW = 2,1 MegaWatt. Das entspricht einer Peakleistung als würde man 140.000 smartphones gleichzeitig laden oder rund 10.000 Büro-Laptops betreiben.
EnBW will auch in den Ausbau der HPC Lader investieren. Aktuell betreibt man viele 50 KW Lader und hat inzwischen einige 150 kw und 300 kW Lader in Betrieb genommen. Auch an Shell Tankstellen sollen in Zusammenarbeit mit EnBW rund 100 HPC Lader mit 175 KW aufgebaut werden. Total will bis Ende 2022 in Westeuropa rund 300 Standorte mit 1.000 HPC Ladepunkten errichtet haben und auch Aral plant den Aufbau von HPC Schnellladesäulen.
Aber auch die Einkaufsmärkte wie Aldi, Lidl, Kaufland, Edeka sowie Ikea haben teilweise schon Kundenparkplätze mit Tripple-Chargern (1x 50 KW, 1 Typ2, 1x Chademo) ausgestattet. So kann man während des Einkaufs oft noch 100 km kostenlos nachladen.
Allego will mit seinem teilweise durch die EU geförderten MEGA-E Projekt bis zu 322 HPC Standorte in der EU bauen.
Zudem hat die Bundesregierung ein Förderprogramm für den Aufbau von 1.000 HPC Standorten mit rund 2,5 Mrd. EUR im aktuellen Corona Konjunkturpaket verabschiedet.
Die Zukunft steht also derzeit voll auf Elektro und mittels Plug-and-Charge und 800 Volt Ultra-Schnelllade-CSS wird es künftig schneller gehen als Tanken. In Norwegen, dem Vorreiter in Sachen Elektromobilität, sind aktuell knapp 70% der neu zugelassenen Pkw Elektroautos und Tankstellenbetreiber bauen Zapfsäulen ab um Platz zu schaffen für Schnellladesäulen.
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