Ehemaliger Mercedes-Chef Designer Bruno Sacco verstorben

  • Der aus Italien stammende Designer prägt für Jahrzehnte die Formensprache der Marke
  • Ein Berufsleben lang: Von 1958 bis 1999 arbeitet der Stilist für Mercedes-Benz
  • Auf die Limousinen und Coupés der Baureihe 126 war Bruno Sacco besonders stolz


Bruno Sacco, einer der bekanntesten Designer der Automobilgeschichte, ist am 19. September 2024 im Alter von 90 Jahren in Sindelfingen verstorben. Der gebürtige Italiener mit deutscher Staatsbürgerschaft ist von 1975 bis zum Beginn des Ruhestands im Jahr 1999 Chefdesigner von Mercedes-Benz.

„Bruno Sacco hat das Unternehmen mit seinen ikonischen Designs und seiner Leidenschaft für Ästhetik nachhaltig geprägt“, sagt Gorden Wagener, Chief Design Officer der Mercedes-Benz Group AG. „Mit Bruno Sacco verlieren wir eine herausragende Persönlichkeit und einen beeindruckenden Ästheten. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden.“

„Mercedes-Benz wird diesen außerordentlichen Stilisten und dennoch bescheiden auftretenden Menschen stets in ehrender Erinnerung behalten“, sagt Marcus Breitschwerdt, CEO der Mercedes-Benz Heritage GmbH. „Bruno Sacco hat die Form zahlreicher Ikonen von Mercedes-Benz gestaltet. Viele von ihnen begegnen uns auch heute im alltäglichen Straßenverkehr – oder sie faszinieren als Klassiker der Marke.“

Die E-Klasse der Baureihe 124 mit allen vier Karosserievarianten, die S-Klasse der Baureihe 126 inklusive des Coupés, der Mercedes-Benz 190 (W 201) und der SL der Baureihe R 129: Das sind einige Fahrzeuge, die unter Bruno Sacco als Leiter des Designbereichs entstehen. Zugleich dokumentieren sie und viele weitere Personenwagen und Nutzfahrzeuge das Leitmotiv, dem er stets folgt: „Ein Mercedes-Benz muss immer aussehen wie ein Mercedes-Benz.“ Damit prägt der weit über die Marke hinaus geachtete Designer die Formensprache mehrerer Modellgenerationen. Sacco tritt 1958 in die damalige Daimler-Benz AG ein und arbeitet sein ganzes Berufsleben lang für das Unternehmen.

Bruno Sacco wird am 12. November 1933 in Udine geboren als Sohn des Kommandeurs eines Gebirgsjägerbataillons. 1951 schließt er im Alter von 17 Jahren in seinem Heimatort das Studium als jüngster Geometer Italiens ab. Im gleichen Jahr besucht er den Automobilsalon in Turin: In diesem Zentrum moderner Designideen präsentieren Italiens große Automobildesigner neue Modelle, Studien und Entwürfe. Fasziniert von der Welt der Automobilformen besucht Sacco ab 1952 die Polytechnische Hochschule in Turin. 1955 schließt er sich der in Turin ansässigen Carrozzeria Ghia SpA an und sammelt Erfahrungen bei der Modellherstellung. Bei Ghia entstehen aufregende Studien, die futuristischen Flugzeugen ähneln, aber auch elegante Alltagsautomobile.

Ende 1957 lernt Sacco in Turin Karl Wilfert kennen. Der Leiter des Mercedes-Benz Karosserieversuchs im Werk Sindelfingen baut seit Mitte der 1950er-Jahre die neue Abteilung Stilistik auf, die Friedrich Geiger leitet. Als erster reiner Automobildesigner wird Paul Bracq von Wilfert eingestellt. Nach einer Einladung an Bruno Sacco in das Werk Sindelfingen folgt 1958 dessen Anstellung als zweiter Stilist. Sacco arbeitet im Bereich Karosserievorentwicklung und später als Leiter der Abteilung Karosseriekonstruktion und Maßkonzeption. In dieser Zeit entstehen herausragende Modelle wie der Mercedes-Benz 600 (W 100, 1963 bis 1981) und der 230 SL „Pagode“ (W 113, Produktionszeit der Baureihe 1963 bis 1971). Dazu übernimmt er die Design-Projektleitung für Sicherheitsausstellungen und prägt die Wankelmotor-Experimentalfahrzeuge C 111 (1969) sowie C 111-II (1970). Unter seiner Mitwirkung entstehen weit verbreitete Fahrzeuge wie die Mittelklasse-Baureihe 123 (1976 bis 1986).

Mit der Ernennung zum Oberingenieur übernimmt Sacco 1975 die Nachfolge von Friedrich Geiger als Leiter der Hauptabteilung Stilistik. Das erste von ihm verantwortete Fahrzeug ist das T-Modell der Baureihe 123, das 1977 als erste Kombilimousine der Marke vorgestellt wird. In dieser Zeit prägt er die Form der eleganten S-Klasse der Baureihe 126 (1979 bis 1992) und des zugehörigen Coupés (1981 bis 1991). Auf diese Typen ist er besonders stolz: „Die Baureihe 126 in allen Gestaltungsformen ist das Beste, was ich für Mercedes-Benz gemacht habe“, sagt Sacco Jahrzehnte später im Rückblick. Kein Wunder, dass während seines Ruhestands ein eleganter, dunkelblauer 560 SEC in seiner Doppelgarage steht.

Als kluger und disziplinierter Verfechter seiner Arbeit versteht er es, dem Design in der Hierarchie von Mercedes-Benz die angemessene Bedeutung zu verleihen. So wird die Hauptabteilung Stilistik 1978 zum Fachbereich aufgewertet, mit Bruno Sacco an der Spitze.

Sacco bezeichnet sich selbst als Ästhet, er legt Wert auf Ausdruckssubstanz und Symbolstärke. Einer seiner Ansprüche: Bei einem Mercedes-Benz Automobil soll von einer Modellgeneration zur nächsten die Modellreihen-Identität erhalten bleiben, um eine Generation nach der Vorstellung der nachfolgenden nicht alt wirken zu lassen. Zudem soll jeder Mercedes-Benz überall auf der Erde als Vertreter dieser Marke zu erkennen sein. Ein markantes, von Sacco 1979 eingeführtes Detail sind die Seitenschutzleisten im Design der Frontstoßfänger der S-Klasse der Baureihe 126. Dieses Gestaltungselement findet sich in den folgenden Jahren auch in der innovativen Kompaktklasse (W 201, 1982 bis 1993), der Baureihe 124 (1984 bis 1997), der S-Klasse der Baureihe 140 (1991 bis 1998) und dem SL der Baureihe R 129 (1989 bis 2001).

Unterscheidungsmerkmale einzelner Modelle sind trotz der Familienidentität gewollt. So legt Sacco Wert darauf, dass der SLK (R 170, 1996 bis 2004) sich deutlich vom größeren SL (R 129) absetzt, um eine interne Konkurrenz zu vermeiden. Diesen SL schätzt Sacco auch 30 Jahre später nach wie vor: „Mir gefällt der R 129 immer noch“, sagt er im Rückblick. 1993 wird Sacco Mitglied des Direktorenkreises des Unternehmens. In dieser Eigenschaft fällt auch die Gestaltung der Nutzfahrzeuge von Mercedes-Benz in seinen Verantwortungsbereich.

Mit Sacco als Designchef betont Mercedes-Benz zunehmend Ästhetik wie aerodynamische Effizienz. Proportionen und die Linienführung sind klar, Funktionalität ist betont. Saccos Philosophie einer zeitlosen Eleganz spricht auch ein jüngeres Publikum an. Das trifft zunächst auf den Typ 190 (W 201) zu, welcher der Marke neue Käuferschichten erschließt. Besonders deutlich wird Saccos Handschrift während der Modelloffensive Mitte der 1990er-Jahre, als A-Klasse (Baureihe 168, 1997 bis 2005), M-Klasse (Baureihe 163, 1997 bis 2004), SLK (R 170), CLK (Baureihe 208, 1997 bis 2003) und V-Klasse (W 638, 1996 bis 2003) die Modellvielfalt des Automobilherstellers deutlich erweitern. Die letzten von Bruno Sacco vor seinem Ruhestand verantworteten Modelle sind die S-Klasse der Baureihe 220 (1998 bis 2005) und das CL-Klasse Oberklassecoupé der Baureihe C 215 (1999 bis 2006).

Sacco liegt die formale Verantwortung der Marke am Herzen, dabei geht es nicht nur um die Fahrzeuge. Er initiiert das neue Design-Center in Sindelfingen, das der italienische Stararchitekt und Industriedesigner Renzo Piano in Zusammenarbeit mit dem Gaggenauer Architekturbüro C. Kohlbecker entwirft.

Seine Fähigkeit, Ästhetik und Technik harmonisch zu verbinden, machen Bruno Sacco zu einem der einflussreichsten Designer der Automobilgeschichte. Am 31. März 1999 geht er in den Ruhestand, versehen mit zahlreichen Auszeichnungen. Die Nachfolge als Chefdesigner von Mercedes-Benz tritt Peter Pfeiffer an. Bruno Sacco erhält 2002 die Ehrendoktorwürde der Universität Udine, 2006 wird er in die „Automotive Hall of Fame“ in Dearborn, Michigan, und 2007 in die „European Automotive Hall of Fame“ in Genf aufgenommen. Bruno Sacco sagt nach zwei Jahrzehnten im Ruhestand: „Mercedes ist mein Leben gewesen, und ich stehe hundertprozentig für diese Zeit.“

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