Ist der Produktionsstandort Deutschland gefährdet?

Immer mehr Hersteller beginnen damit Autos für die EU in China zu produzieren.

China verlangt für importierte Fahrzeuge hohe Importzölle. Dies kann dann auch dazu führen, dass in China ein CLS 260 mit M264 E 15 (1,5 Liter Hubraum und 184 PS) angeboten wird. Wenn man große Stückzahlen in China absetzen will, benötigt man konkurrenzfähige Preise. Also sind Zölle hier hinderlich. Mercedes und andere deutsche Hersteller haben daher riesen Werke in China.

Mercedes produziert bspw. in GLA, GLC (mit langem Radstand), EQC, C-Klasse (W/V205), E-Klasse lang (V213), die V-Klasse sowie die lange A-Klasse (Z177) in Peking. Um jedoch auch bei diesen Fahrzeugen von den Zöllen ausgenommen zu sein, benötigt man eine entsprechend hohe Quote an local parts. D.h. die Aggregate können nicht alle aus den deutschen Aggregate Werken wie bspw. Hamburg, Kölleda und Untertürkheim zugeliefert werden. In Peking wurde daher Mercedes erstes Motorenwerk außerhalb Deutschlands errichtet.

Mercedes EQC 400 4matic AMG Line
Mercedes EQC (N293) gebaut in Bremen für die Welt - in Peking für China

Warum könnte also der Produktionsstandort Deutschland durch China gefährdet werden?

Derzeit gilt eher von China für China. Ein in China gebauter BMW, Audi oder Mercedes wird nur im lokalen chinesischen Markt verkauft.

Derzeit findet jedoch Paradigmenwechsel statt. Immer mehr Hersteller werden den deutschen und europäischen Markt direkt aus China beliefern. Genau definierte Prozesse soll dazu führen das der Qualitätsstandard Made in Germany durch Made by BMW oder Made by Mercedes-Benz ersetzt wird.

BMW iX3
Ab Spätsommer wird BMW den iX3, ca. 420 km Reichweite, in China für den gesamten Weltmarkt bauen

BMW ist nun erster Premium Hersteller der die ganze Welt mit einem Modell aus China beliefert. Während Mercedes den elektrischen SUV EQC für die Welt in Bremen baut und für China in Peking, beliefert BMW weltweit alle iX3 Kunden aus China. Und das ist erst der Anfang. Zudem überlegt BMW zukünftig den 7er BMW mit kurzem Radstand entfallen zulassen nur noch den langen BMW 7er (ab 2022) anzubieten und den Kunden dafür den chinesischen 5er mit langem Radstand als Ersatz zu bieten. Dies würde die Entwicklung des 7er mit kurzem Radstand sparen.

Daimler wird einen ähnlichen Weg mit smart gehen. Geely entwickelt aktuell die Nachfolge smart Generation (rein elektrisch) und wird den smart dann ab Ende 2022 nicht mehr in Hambach produzieren (dort läuft ab 2021 u.a. der EQB vom Band). BMW baut für Mini ein neues Werk in China. Oxford könnte dann, auch Dank des Brexits, still und leise mit in 2-3 Jahren auslaufen.

Autos die in China produziert werden und in die EU kommen:

BMW iX3

BMW E-Mini (geplant)

Smart fortwo / forfour (geplant ab Ende 2022)

Volvo S90 (Limousinen Produktion aus Göteburg nach China verlagert)

Volvo Polestar 2

Citroen DS 9

Volvo Polestar 2 mit 470 km Reichweite kommt ab Sommer nach Deutschland, Produktion ausschließlich in China

Bei Mercedes-Benz wurde auch seit Jahren die Expansion durch viele neue Werke im Ausland gestemmt (Ausbau Peking, neues Werk in Mexiko, neues Werk in Ungarn, Motorenwerk in Jawor Polen, Verlagerung einer Großteil der C-Klasse Limousinen Produktion für den europäischen Markt nach East London, Südafrika).

Mercedes-Benz Werk Sindelfingen Factory 56
Factory 56 eröffnet in Sindelfingen ab September: Produktion der neuen S-Klasse W223 und ab 2021 EQS

Durch die Factory 56, die im September 2020 in Sindelfingen eröffnet wird, hat Mercedes aber auch ein deutliches Signal für den Standort Deutschland abgegeben. Denn die überwiegende Mehrheit der S-Klasse und S-Klasse Maybach verlassen Deutschland Richtung China sowie USA und trotzdem werden sie im Ländle gebaut.

Man kann nur hoffen dass dies auch noch lange so bleibt. Denn die Übergabe eines tollen Mercedes-BEnz bspw. im Werk Sindelfingen, Rastatt oder Bremen inkl. Werksführung ist vom Flair nicht mit einer „simpleren“ Übergabe Autohaus zu vergleichen.

Mercedes-Benz Center Sindelfingen
Mercedes-Benz Kundencenter Sindelfingen - Kundenauslieferung direkt im Werk

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8 Antworten

  1. Es geht hierbei viel weniger um das „Flair“ bei der Fahrzeugabholung an einem der drei deutschen Standorte, sondern viel mehr um relativ beinharte, zahlenbasierte Produktionsentscheidungen über die jeweilige Laufzeit einer Baureihe gerechnet.

    Generell gilt, dass die allermeisten Auslandswerke (aller Hersteller) in der Qualität deutlich aufgeholt haben. Aber – und auch das gehört zur Wahrheit – gibt es durchaus immer wieder deutlich negative Ausnahmen: Siehe GLE-Anlauf in Tuscaloosa. Die ähnlich hoch technologisierte A-Klasse (und das sogar als MBUX-Frontrunner-Fahrzeug) ging ziemlich problemlos in die Serie in Rastatt (und später inkl. CLA-Derivaten auch in Kecskemet.) Und der Grund für die W205-„Verschiebung“ nach East London liegt mehr darin begründet, dass man in Bremen verschiedene Kapazitäten für die beiden ungebrochen stark nachgefragten GLCs braucht und auch für den EQC freispielen musste.

    So wie sich aktuell die globale Wirtschaft entwickelt, in dem überall wieder protektionistische Handelsbarrieren hochgezogen werden, wird die „vor Ort“-Fertigung mit Teilen von „vor Ort“ (leider) zunehmen. Aber: Kein deutscher Standort ist angesichts der aktuellen Planungen bei Daimler in seinem Bestand gefährdet. Der nächste GLC kommt (zusätzlich) nach Sifi und auch für Bremen gibt es bereits Produktionszusagen für kommende Modelle. Mitunter mag da sogar die eine oder andere Überraschung versteckt sein.

    Zum Thema generell vertrete ich persönlich die Meinung, dass ein Stück weit das Preis-Premium eines Premium-Herstellers wie Mercedes, BMW oder Audi auch den Produktionsstandort abbildet. Bestes Negativ-Beispiel der jüngsten Vergangenheit ist leider der Porsche Cayenne der nun zu 100% in Bratislava gefertigt wird auf einer Linie mit Q7, Q8 und Touareg und sich der Produktionsvorstand von Porsche sogar dazu aufschwingt, dass dem Kunden, der Produktionsstandort ja „völlig egal“ sei. Das sehe ich, je hochpreisiger das Produkt ist, mitnichten so. Denn genau aus diesem Grund wird die S-Klasse ja weiterhin zu 100% in Deutschland gebaut und hat keine lokale Fertigung in China oder den USA.
    Besser verstehen kann ich das Thema für günstige Fahrzeug-Modelle. Der smart hat in der Vergangenheit nie seine Chancen wirklich ausnutzen können und die erhält er nun endlich mit Geely in einem Land, das perfekt für den smart ist. Die Einfuhrbeschränkungen haben bisher den chinesischen Preis des smart völlig ins Abseits geschossen.
    In der smart-Preisklasse stört mich eine asiatische Fertigung (Stichwort: Preis-Premium) weitaus weniger als wenn bspw. der EQC nur aus China käme.

    Und damit wären wir beim iX3. Ja, ich kann BMW bestens verstehen, dass der iX3 natürlich in erheblichen Stückzahlen in China selbst verkauft werden wird. Aber durch diese Entscheidung wird auch deutlich: Er ist eben wie ein e-tron oder EQC: Ein erster Elektro-Schuss auf Verbrennerbasis. Denn in die USA wird er nicht kommen und damit spricht das Thema der CO2-Compliance doch relativ große Bände beim iX3.

    Am Ende lässt sich nur feststellen, dass die Standort-Entscheidungen mitnichten einfach sind, sondern von der großen Komplexität getrieben: Welches Modell verkaufe ich wo wie oft, welches Modell muss/sollte ich wo produzieren hinsichtlich externer Faktoren (Zölle, Preiswettbewerb, Local Parts…) und zu guter letzt wo macht es technisch Sinn Modelle in Produktionsstätten zu bündeln.
    Eine „Gefahr“ für die deutschen Standorte sind aber bei weitem nicht einmal im Ansatz erkennbar.

    1. Da hast Du Recht. Ich war vor Kurzem in der sächsischen Schweiz und habe die Cayenne durch das Elbtal mit der Bahn fahren sehen. Dafür bauen sie in Leipzig jetzt die Rohkarosserie vom Bentley Continental.

      Das Kapazitätsproblem mit Bremen lag ja auch daran, dass die C-Klasse aus Sindelfingen abgezogen wurde. Aber der GLC kommt jetzt zurück.
      Betriebswirtschaftlich verstehe ich das schon, aber irgendwann geht es nicht mehr auf.
      Wenn BMW es vor macht und dem Kunden es wirklich egal ist, dann könnte Mercedes irgendwann nachziehen. Ich wünsche mir auch, dass es nicht so kommt.

      Die Übergabe eines smarts beim Händler ist nicht zu vergleichen mit der Übergabe eines W213 in Sindelfingen 😉
      Das sowas kann den Kunden dann auch an eine Marke binden.

  2. Ich finde diese Entwicklung ja höchst bedenklich. China verlangt horrende Einfuhrzölle und so gut wie alle Europäischen Hersteller nicken nur freudig. Mal abgesehen von den ganzen anderen Verfehlungen die China so betreffen, ist auch Industriespionage und ein Brain Drain keine Gefahr, die man einfach beiseite schieben sollte. China kauft munter Firmen bei uns auf, mit dem Versprechen die Produktion hier zu behalten – nur um sie dann doch nach China zu verfrachten. Siehe Kuka. Und wenn ich ganz ehrlich bin, möchte ich die gleichen, horrenden Einfuhrzölle von Gütern aus China nach Europa sehen.
    Klar – Betriebswirtschaftlich ist das einerseits Verständlich, aber andererseits auch viel zu kurz gedacht.

    Vom Prestigeschaden, der von so Sachen wie eben jetzt COVID-19 und Chinas absolut unterirdische Qualität bei PPE doch beeinflusst wird, mal ganz abgesehen.
    Und gerade hier in Bayern, wo sehr viel, sehr Stolz darauf sind BMW zu fahren bzw. ein tatsächlich, fast durch und durch Bayerisches Produkt, wird der Prestigeschaden immens sein. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das in BaWü ähnlich aussehen würde.

    Und zumindest für mich persönlich, war das einer der Gründe mich gegen den GLE zu entscheiden.

    1. Da hast Du in vielen Punkten recht. Wer in China etwas aufbauen will benötigt ein Joint Venture mit einem chinesischen Partner (wobei BMW ja hier versucht seinen Anteil aufzustocken – diese Entwicklung gibt es aber erst seit kurzem) und in Deutschland kann wird praktisch nie ein Veto eingelegt.

      Und was hast Du jetzt gekauft ? ein GLC aus Bremen ?

      1. Das ist tatsächlich so und mich persönlich stimmt das höchst Bedenklich. Auch wenn Indien sehr viele Verfehlungen hat und die mit Sicherheit auch noch einiges Aufholen müssen, gehen Sie mit China deutlich besser um als wir. Da werden halt einfach die gleichen Einfuhrzölle verlangt und schwupp die wupp wird die Produktion von vielen Dingen nach Indien verlegt.

        Es wurde ein 213er Mopf als 300de in Exclusive. Design von Außen ist zwar extrem Gewöhnungsbedürftig und auch der Weg weiter hin zu „Touch only“ gefällt mir nicht, aber noch ist der Stern alternativlos…

        1. Ja cool. Dann viel Vorfreude. Der 213er mit der Mopf ist doch sehr schön. Und die Reichweite mit der neuen Batterie finde ich gut.
          Wobei die Chinesen im V213 ne neue Hinterachse für eine noch größere Batterie mit 100 km Reichweite erhalten haben.
          Wie lang ist bei Dir die Lieferzeit ?

          1. Danke – die hab ich. Naja, mir Gefällt die Form des Exclusive Kühlergrills einfach nicht (zu viele Ecken) und ich bin noch nicht überzeugt von der neuen Lenkradgeneration. Diese fein gerasteten Rädchen und Wippen im Vorgängerlenkrad waren meiner Meinung das Herstellerunabhängige non Plus Ultra…

            Ja, die 100 km Reichweite hätte ich auch gern gehabt.

            Lieferzeit ist voraussichtlich Mitte – Ende Oktober. Hätte ich keine Lenkradheizung genommen, wäre es August geworden…

          2. Ok. Ja anfangs, dachte ich es wäre unnötig. Aber so kann man die elektrische Luftheizung runter drehen. Mit der Sitzheizung und Lenkradheizung kommt man im Winter dann elektrisch weiter 😉

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