Mercedes wird für die elektrische G-Klasse ein bereits bekanntes Konzept von AMG wieder aus der Schublade holen
Im Rahmen des Mercedes-Benz Stragety Update mit der Fokussierung auf „Electric only“ im Juli 2021 hat der Mercedes Chef Ola Källenius bekannt gegeben, dass die elektrische G-Klasse EQG im Jahr 2024 zu den Kunden stromert.
Dabei wird weder die aktuelle mit dem EQS eingeführt EVA2 Plattform noch die in 2024 startende MMA oder die neuen Plattformen ab 2025 (MB.AE) zum Einsatz kommen. Die elektrische G-Klasse wird auf der bekannten und geliebten G-Klasse W463 aufbauen. D.h. der Umbau zur Elektroversion wird analog zum GLA, GLB und V-Klasse zu den jeweiligen EQ-Modellen erfolgen.
Das führt natürlich dazu, dass hier und da Kompromisse gemacht werden. Denn der EQS hat eine Reichweite von bis zu 780 km (WLTP) nicht nur wegen seiner großen Batterie, sondern auch deshalb, weil er durch das One-Bow Design eine Weltrekord-Aerodynamik hat.
Die G-Klasse ist jedoch eines der authentischsten Fahrzeuge auf der Welt. Es wäre keine G-Klasse mehr, würde sie nicht so aussehen wie sie aussieht. Markant, ehrlich und eckig.
In den Medien wird darüber berichtet, dass Mercedes den EQG mit der jetzt vorgestellten Technik des EQS ausrüstet. Das ist in vielerlei Hinsicht nicht richtig.
Es fängt schon beim Radstand an.
Der EQS weist einen Radstand von 3,21m auf. Hier passt die flache und lange Batterie mit 107,8 kWh in den Fahrzeugboden. Die G-Klasse wurde ursprünglich für den Einsatz im schweren Gelände entwickelt und hat mit 2,89m einen deutlich kürzeren Radstand (-0,42m). Es ist damit ausgeschlossen, dass man hier einfach eine EQS Batterie verbauen könnte.
Mercedes wird zudem im Jahr 2024 schon ein weiter entwickeltes Zelldesign verwenden mit einer höheren Energiedichte. Zudem sitzt man in der G-Klasse in der 2. Reihe, wie im Kino, etwas höher als in der 1. Reihe. Somit könnte Mercedes hier den Akku in diesem Bereich stärker in die Höhe bauen. Ein Energiegehalt von deutlich über 100 kWh ist daher problemlos zu erreichen.
Der Mercedes EQG wird die typischen G-Klasse Tugenden haben
Auch beim eATS – den elektrischen Antriebsachsen – wird es keine Übernahme aus dem EQS geben.
Die G-Klasse ist kein SUV, die G-Klasse ist ein Geländewagen die mit Untersetzungsgetriebe und drei Differentialsperren daherkommt.
Würde man den EQG mit dem eATS vom EQS ausrüsten, wäre sie nicht mehr geländefähig. Man hätte aus dem EQG ein SUV gemacht. Aber auch an eine elektrische G-Klasse werden hohe Ansprüche gestellt. Mercedes wird hier die Kunden nicht enttäuschen wollen.
Wenn also ein Rad in der Luft hängt und zwei im Schlamm durchdrehen, kann die G-Klasse W463 diese drei Räder sperren und leitet die Antriebskraft nur noch auf das Rad mit Grip durch. Beim EQG wird man sich hier einem Konzept bedienen das AMG schon beim SLS E-Cell aufgrund des Torque-Vectoring eingeführt hat: den radselektiven Antrieb. D.h. jedes Rad erhält seinen eigenen Elektromotor (aufgrund der ungefederten Massen keinen Radnabenmotor) und kann so, wie dies bei einem E-Motor üblich ist, jedes Rad ganz schnell und fein einzeln ansprechen. So wird Mercedes die 3 Differentialsperren mittels 4 Elektromotoren simulieren.
Die Übersetzung einer G-Klasse mit 9G-Tronic, Achsübersetzung und Untersetzungsgetriebe liegt bei 1:53. Der EQG wird an jedem E-Motor mit einem Eingang-Getriebe auskommen müssen, also einer festen Übersetzung. Wenn man aber die NM am Rad vergleicht, wird der EQG auf ein ähnliches Niveau kommen, da hier jeder E-Motor nur ein Rad mit Kraft versorgen muss. Unterstellt man eine maximale Drehzahl des Elektromotor von 16.000 U/min würde dies bei einer festen Übersetzung von 1:13 für eine Vmax von 180 km/h reichen (mehr macht bei dem schlechten cW-Wert und der riesen Stirnfläche bei dem EQG keinen Sinn) und erhielte somit rund 5.200 NM am Rad. Bei einem G 500 würde man hier in einem Bereich von 5.000 – 8.000 NM am Rad liegen (abhängig von der Drehzahl des Motors). Je nach Untergrund könnte man jedoch sowieso nur rund 4.000 NM übertragen, da ab dieser Grenze die Traktion am Rad abreißt.
Die Fahrwiderstände und die G-Klasse werden in diesem Leben keine Kumpel mehr
Die G-Klasse weist einen cW-Wert von 0,54 sowie eine Stirnfläche von 2,97m² auf. Beim EQG könnte der cW-Wert durch die geschlossene Kühlerfront leicht besser ausfallen. Der Luftwiderstand liegt also im Bereich von 1,6. Der extrem optimierte EQS kommt hier auf einen Wert von 0,5 (cW 0,20 * Stirnfläche 2,51m). Das ist Physik, da wird es schwierig werden Reichweite herbei zu zaubern. Und der EQS liegt mit den 0,5 deutlich besser als der kleinere EQA mit 0,69.
D.h. wenn man die Fahrwiderstände bei konstant 130 km/h ausrechnet, liegen sie beim EQS bei rund 20 kW. So kann der EQS bei konstanten (echten) 130 km/h knapp über 500 km fahren. Die G-Klasse hat bei 130 km/h (in der ebenen Fläche, ohne Gegenwind bei 20 ° C) Fahrwiderstände in Höhe von 52 kW. Somit läge die Reichweite bei 210 km. Der Unterschied zum EQS ist extrem.
Bei konstanten 100 km/h würde der EQS knapp 900 km schaffen (ohne Berücksichtigung der Verluste im elektrischen Triebstrang) und der EQG 430 km.
Sollte die Batterie des EQG also im Bereich von 110 kWh liegen wäre eine WLTP Reichweite im Bereich von 480 km realistisch. Dabei muss man wissen, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit im WLTP bei 46 km/h liegt. Die G-Klasse hat aufgrund der charismatischen Form, eine schlechte Aerodynamik. D.h. bei höheren Geschwindigkeiten reduziert sich die Reichweite extrem.
Im schweren Gelände, wo es auch viel um Geschicklichkeit geht, könnte aufgrund der geringen Geschwindigkeiten, der EQG in Sachen Reichweite besser abschneiden als ein G 500. Da der V8 im G 500 im Bereich von 2-10 km/h im schweren Gelände nicht in seinem Betriebsoptimum (in Sachen Effizenz) läuft.
Es bleibt also spannend, wie groß die Batterie sein wird die Mercedes im EQG verbaut und wie weit Mercedes den cW-Wert des EQG, durch eine geschlossene Kühlermaske und einen flachen und verkleideten Unterboden von 0,54 absenken kann.