Autonomes Fahren nach SAE Level 3 bietet Mercedes ab dem 2. Halbjahr 2021 in Deutschland an
Viele haben es versucht und haben aufgegeben. Audi hat es mit dem A8 versucht. BMW iX5 sollte es ab 2021 haben. Alle sind wohl gescheitert. Mercedes-Benz hat das System nun zur serienreife entwickelt. Es funktioniert und befindet sich derzeit im Zertifizierungsprozess beim KBA. Es soll dann ab dem 2. Halbjahr 2021 für deutsche Kunden verfügbar sein.
Es ist derzeit dann noch auf Autobahnen während Staus bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h beschränkt und Daimler arbeitet daran, die Freigabe in weiteren Schritten auf 130 km/h zu steigern.
Das entlastet den Fahrer, ermöglicht ihm Nebentätigkeiten wie im Internet surfen oder im In-Car-Office E-Mails bearbeiten und schenkt dem Fahrer dadurch Zeit. Noch einen Schritt weiter geht Mercedes-Benz beim Parken: Mit entsprechender Vorrüstung für den INTELLIGENT PARK PILOT ist die S-Klasse für fahrerloses, vollautomatisiertes Parken (Automated Valet Parking; Level 4) vorbereitet. Mit diesem Plan geht Mercedes-Benz den entscheidenden Schritt zum hoch- und vollautomatisierten Fahren (SAE-Level 3 und -Level 4) und bietet somit Kunden erstmals die Möglichkeit in einem Serienfahrzeug, die Fahraufgabe an das Fahrzeug übergeben zu können.
Dass autonomes bzw. automatisiertes Fahren keine Utopie, sondern grundsätzlich technisch möglich ist, hat Mercedes-Benz bereits im August 2013 eindrucksvoll gezeigt. Damals fuhr der Mercedes-Benz S 500 INTELLIGENT DRIVE, basierend auf der vorigen S-Klasse, die rund 100 Kilometer lange historische Bertha-Benz-Route von Mannheim nach Pforzheim autonom. Mit dem DRIVE PILOT geht das hochautomatisierte Fahren bei Mercedes-Benz voraussichtlich ab dem zweiten Halbjahr 2021 in Serie.
Auf geeigneten Autobahnabschnitten und bei hohem Verkehrsaufkommen kann der DRIVE PILOT dem Fahrer anbieten, die Fahraufgabe zunächst bis zu den gesetzlich erlaubten 60 km/h zu übernehmen. Die entsprechenden Bedienelemente dafür sitzen im Lenkradkranz oberhalb der Daumenmulden rechts und links. Aktiviert der Fahrer den DRIVE PILOT, regelt das System Geschwindigkeit und Abstand und führt das Fahrzeug souverän innerhalb der Spur. Streckenverlauf, auftretende Streckenereignisse und Verkehrszeichen werden ausgewertet und entsprechend berücksichtigt. Der DRIVE PILOT kann auch unerwartet auftretende Verkehrssituationen erkennen und durch Ausweichmanöver innerhalb der Spur oder durch Bremsmanöver eigenständig bewältigen.
Paradigmen-Wechsel: Das Fahrzeug übernimmt die Fahraufgabe
Erstmals übernimmt damit das Fahrzeug die Fahraufgabe, solange der DRIVE PILOT in der Mercedes-Benz S-Klasse aktiv ist. Dies ist ein Paradigmen-Wechsel. Aus Sicht von Mercedes-Benz lässt sich der sichere Betrieb eines solchen Systems nur durch den Einsatz eines erweiterten Sensorensets realisieren. Dieses umfasst zusätzlich LiDAR („Light Detection and Ranging“: optische Abstands- und Geschwindigkeitsmessung), hochgenaue Positionierung und eine HD-Map (digitale Karte in High-Definition-Qualität). Damit kann das System auch in schwierigen Situationen eine sichere Übergabe an den Fahrer gewährleisten.
Während der Nutzung des DRIVE PILOT kann sich der Fahrer vom Verkehrsgeschehen ab- und bestimmten Nebentätigkeiten zuwenden, sei es mit den Kollegen via In-Car-Office kommunizieren, im Internet surfen oder entspannt eine Sitzmassage genießen. Denn im DRIVE PILOT Modus können Funktionen freigegeben werden, die sonst während der Fahrt gesperrt sind. Der Fahrer muss dabei jedoch stets übernahmebereit bleiben und bei Bedarf unverzüglich wieder die Fahraufgabe übernehmen, wenn ihn das System dazu auffordert oder er erkennen muss, dass die Voraussetzungen für die bestimmungsgemäße Verwendung des DRIVE PILOT nicht mehr vorliegen.
Hochautomatisiertes Fahren auf geeigneten Autobahnabschnitten bei hohem Verkehrsaufkommen
Nähert sich das Fahrzeug dem Ende des für den DRIVE PILOT geeigneten Streckenabschnitts, beispielsweise einem Tunnel, oder ändern sich andere Umstände, etwa das Wetter oder die Verkehrssituation (beispielsweise, wenn sich der Stau auflöst), wird der Fahrer rechtzeitig zur Übernahme der Fahrzeugsteuerung aufgefordert. Prinzipiell muss der Fahrer stets übernahmebereit bleiben und innerhalb von zehn Sekunden die Fahrzeugsteuerung manuell fortsetzen können –schlafen, dauerhaft nach hinten blicken oder gar den Fahrersitz verlassen, sind deshalb nicht möglich. Um die Übernahmefähigkeit des Fahrers sicherzustellen, beobachten die Kameras von Fahrer-Display und MBUX Interieur-Assistent die Bewegung von Kopf und Augenlidern.
Übernimmt der Fahrer, z.B. aufgrund eines akuten gesundheitlichen Problems, die Fahrzeugsteuerung auch nach eskalierter Übernahmeaufforderung nicht, bremst der DRIVE PILOT das Fahrzeug im Rahmen eines Sicherheitsstopps kontrolliert und mit angemessener Verzögerung bis in den Stillstand. Zugleich werden das Warnblinklicht und im Stand das Mercedes-Benz Notrufsystem aktiviert und die Türen und Fenster entriegelt, um möglichen Ersthelfern den Weg in das Fahrzeug zu erleichtern. Unabhängig von einer Übernahmeaufforderung durch das System kann der Fahrer den DRIVE PILOT natürlich jederzeit deaktivieren. Das ist durch die Lenkradtasten oder beispielsweise durch einen bewussten manuellen Eingriff in die Steuerungseinrichtungen des Fahrzeugs möglich.
Mit LiDAR-Sensor und redundanten Systemen
Der DRIVE PILOT baut auf der Umfeldsensorik des Fahrassistenz-Pakets auf und umfasst zusätzliche Sensoren, die Mercedes-Benz als unerlässlich für sicheres hochautomatisiertes Fahren hält. Dazu gehören LiDAR, eine weitere Kamera in der Heckscheibe und Mikrophone, insbesondere zum Erkennen von Blaulicht und Sondersignalen von Einsatzfahrzeugen. Ergänzend zu den Sensordaten erhält der DRIVE PILOT Informationen zu Straßengeometrie, Streckeneigenschaften, Verkehrszeichen sowie besonderen Verkehrsereignissen (z.B. Unfällen oder Baustellen) von einer HD-Map. Diese wird über eine Backend-Anbindung zur Verfügung gestellt. Die Fahrzeugposition wird über ein hochgenaues Positionierungssystem ermittelt, das weit über übliche GPS-Systeme hinausgeht. Darüber hinaus verfügt die S-Klasse mit der Sonderausstattung DRIVE PILOT über redundante Lenk- und Bremssysteme sowie ein redundantes Bordnetz, um auch beim Ausfall eines dieser Systeme manövrierfähig zu bleiben und eine sichere Übergabe an den Fahrer zu gewährleisten.
Ein leistungsstarkes Zentralsteuergerät realisiert die fürs hochautomatisierte Fahren notwendigen, anspruchsvollen Software-Funktionen. Beispielsweise in der Bildverarbeitung kommen hierbei Zukunftstechnologien aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz zum Einsatz. Im Rahmen der modernen Sicherheitsarchitektur werden alle Algorithmen doppelt gerechnet.
Das System wird immer besser
Die maximale Geschwindigkeit eines hochautomatisierten Systems ist in Deutschland rechtlich auf 60 km/h begrenzt. Der DRIVE PILOT ist aber dafür vorbereitet, über Over-the-air-Updates auch höhere Geschwindigkeiten oder andere Anwendungsfälle zuzulassen, sobald der rechtliche Rahmen dies vorsieht. Die grundsätzliche Einführung des DRIVE PILOT in weiteren Ländern in Europa, in den USA und China soll Schritt für Schritt erfolgen, sobald es auch dort die nationale Rechtssituation vorsieht, dass eine Abwendung von der Fahraufgabe zulässig ist.
Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland
Um dem Kunden erstmalig erlauben zu können, während der Fahrt Nebentätigkeiten auszuführen, ist die Einhaltung der europaweit harmonisierten technischen Zulassungsvorschriften erforderlich. Daneben bedarf es aber auch nationaler Straßenverkehrsvorschriften, die dem Fahrer eine bestimmungsgemäße Nutzung des Level-3-Systems einschließlich der Abwendung von der Fahraufgabe erlauben. Der DRIVE PILOT wird zunächst in Deutschland angeboten, da Deutschland mit der Öffnung des Straßenverkehrsgesetzes für Level-3-Systeme im Jahr 2017 als eines der ersten Länder eine rechtliche Grundlage für deren Nutzung geschaffen hat. Das Zulassungsverfahren für Europa, das auch für die Nutzung des DRIVE PILOT in Deutschland erforderlich ist, soll Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein.
Erprobung in Immendingen
Die Fahrerassistenzsysteme der S-Klasse wurden intensiv im PTZ Immendingen (Prüf- und Testzentrum) validiert.
- Mehr als 30 verschiedene Test- und Prüfstrecken auf einer Fläche von 520 Hektar eines ehemaligen Standortübungsplatzes der Bundeswehr:
- Unter anderem werden in Immendingen alternative Antriebe (wie Hybride und Elektrofahrzeuge) weiterentwickelt sowie
- künftige Assistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen erprobt und in Dauerläufen validiert.
- Streckenlänge insgesamt 68 Kilometer (Asphalt und Schotter)
- Nach rund dreieinhalbjähriger Bauzeit am 19. September 2018 eröffnet
- Investition von über 200 Millionen Euro, rund 300 neue Arbeitsplätze geplant
- Umfangreiche Naturschutzmaßnahmen, unter anderem Bau einer Wildtierpassage
- Entlastung des Straßenverkehrs durch Verlagerung der Dauererprobung auf Testgelände
Die verschiedenen Stufen des automatisierten Fahrens
In Anlehnung an die Norm SAE J3016 definiert der Verband der Automobilindustrie (VDA) in sechs Stufen unterschiedliche Grade des automatisierten Fahrens.
- Stufe 0: keine Automatisierung. Der Fahrer fährt komplett eigenständig.
- Stufe 1: assistiert – Fahren mit Assistenzsystemen. Der Fahrer hat stets die volle Kontrolle über das Fahrzeug, kann sich aber bei der Längs- oder Querführung durch Fahrassistenzsysteme unterstützen lassen, z.B. durch Abstandsregel-Tempomaten (seit der S-Klasse W220 1998)
- Stufe 2: teilautomatisiert. Der Fahrer hat stets die volle Kontrolle über das Fahrzeug, kann sich aber während der Fahrt durch Fahrassistenzsysteme oder bei Parkvorgängen bei der Quer- und Längsführung unterstützen lassen (seit der S-Klasse W222 2013).
- Stufe 3: hochautomatisiert. Das hochautomatisierte Fahrsystem übernimmt unter bestimmten Randbedingungen dynamische Fahraufgaben. Dennoch ist weiterhin ein jederzeit übernahmebereiter Fahrer notwendig. Der Fahrer muss die Kontrolle (mit einigen Sekunden Vorlaufzeit) über das Fahrzeug übernehmen, wenn er durch das System zur Übernahme aufgefordert wird.
- Stufe 4: vollautomatisiert. Das Fahrsystem kann unter bestimmten Randbedingungen (z.B. ausgesuchte Straßen, nicht bei jedem Wetter) alle Verkehrssituationen selbstständig meistern. Abhängig vom Anwendungsfall ist kein Fahrer mehr notwendig (z.B. Automated Valet Parking, Personen-Shuttle)
- Stufe 5: fahrerlos. Das Fahrsystem kann alle Fahraufgaben unter allen Bedingungen selbstständig erledigen.
4 Responses
O.k., wen interessiert heute noch die S-Klasse?
Wird es das auch im EQA geben? – so muß ja wohl die aktuelle Frage lauten.
Und wann wird die 60 km/h-Grenze angepaßt?! Das ist ja quasi eine Vollsperrung! Gebraucht würde es doch genau auf SChnellstraßen!!
Soll man das eher in der Stadt, oder bei Belästigungs-Schleichfahrt über Land verwenden??
Die S-Klasse ist sehr gefragt. Das merkt man in Deutschland nicht so, aber in Asien verkauft sie sich extrem gut.
Der Level 3 Drive Pilot steht noch am Anfang der Entwicklung. 2022/2023 hofft Mercedes die Geschwindigkeit auf 130 km/h anheben zu können, sofern der Gesetzgeber es zulässt. Heute ist schon einiges technisch machbar, aber es muss halt auch homologiert werden. Und wenn es noch keine gültigen Rechtsnormen gibt kann das KBA es auch nicht abnehmen. Nicht so ganz einfach.
Das System wird auch in andere Autos kommen, alledings vermutlich erst in die höheren Fahrzeugklassen.
Der EQA wird das Fahrerassistenzpaket mit Level 2 erhalten, wie es aktuell bekannt ist.
…das liest sich wie eine ganz bewusste Falschmeldung. Übernahme der Fahraufgabe bis 60 km/h auf freigegebenen Autobahnstrecken, und „vorraussichtlich“ an zu vielen Stellen. Diese Meldung ist verwirrend und wenig seriös.
VErstehe den Kommentar nicht. Das System arbeitet im Stau bis 60 km/h ausschließlich auf Autobahnen. Im Tunnel und bei Regen nicht.
In 2-3 Jahren hofft Mercedes die Erlaubnis zu erhalten die Schwelle von 60 km/h auf 130 km/h anheben zu dürfen. (dazu benötigt es die Freigabe vom KBA).